19.05.2017 – Santiago de Compostela

Auf unserer Agenda stand heute der Besuch der „Pilgermesse“, beginnend um 12:00h. Ich erwähne das, weil in der Nacht auf dem Platz vor unserem Appartment wieder die Hölle los war, ich meine, es war wieder sehr laut…aber wir hätten ja auch die Ohrstöpsel benutzen können. 🙂
Jedenfalls haben wir ein bisschen länger geschlafen als normal, und waren trotzdem zeitig in der Kathedrale, um 11.15h. Zeitig genug, um noch einen guten Platz im Querschiff der Kathedrale zu erwischen.Im Querschiff kann man das Pendeln des „Botafomeiro`s“ sehr gut beobachten. Um 11:30h war die Kirche schon fast voll, Pilger aus aller Welt, tlw. mit Nationalflaggen aus Kolumbien, Brasilien, in unmittelbarer Nähe sassen Pilger aus den USA und 3 Damen aus Italien. Warum Italiener in der Kirche immer so laut schwadronieren müssen, ist mir ein Rätsel, ich empfinde das als respektlos gegenüber den anderen Besuchern.
Egal, es war eine tolle Atmosphäre, so mitten unter den vielen Leuten, von denen bestimmt der größte Teil den Pilgerweg zu Fuß zurückgelegt hat. Ich konnte mir gut vorstellen, was in einem vorgeht, nach den Strapazen endlich am Ziel angelangt zu sein. Da bekommt man schon eine Gänsehaut.
Die Messe selbst wurde begleitet von Priestern verschiedener Nationen, die auch in ihrer Sprache Fürbitten vorlasen. Auch ein tolles Gefühl, so viele verschiedene Menschen mit dem sehnlichen Wunsch nach Frieden.
Vor dem Abschlußsegen wurde wieder der „Botafomeiro“ in Bewegung gesetzt, ein irres Schauspiel.
Der Weihrauchkessel schwingt mit einer Geschwindigkeit von fast 70 km/h fast bis zur Kirchendecke, ein beeindruckendes Bild. Ich stand da mit offenem Mund und Pipi in den Augen, irgendwie „geflasht“ von den Eindrücken. Deshalb habe ich auch keine Bilder von dem Schwingen des Kessels machen können, das Bild oben zeigt den Weihrauchkessel beim Ausschwingen.

Nach der Messe mussten wir irgendwie wieder runterkommen, und wir stellten beide unabhängig voneinander fest, dass es ein lohnenswertes Ziel sei, den Jakobsweg zu Fuss oder mit dem Fahrrad zurückzulegen. Infos darüber gibt es ausreichend im Internet.

Morgen geht es dann nach „A Coruna“, ein bisschen erholen von den hiesigen Eindrücken…..

Ich bin gespannt, ob wir nächstes Jahr mit dem Motorrad auf Sardinien/Korsika landen oder zu Fuß auf dem Camino de Compostala??? Beides wäre schön!!! Lasen wir uns überraschen, wohin der Wind uns treibt…

18.05.2017 – Heute mal mit Senf

Nach 2 Tagen stressfrei bummeln durch die überschaubare Altstadt von Santiago de Compostela, wo sich zu den etwa 96.000 Einwohnern nicht nur Pilger sondern auch noch ca 46.000 Studenten tummeln. Eine tolle Atmosphäre, die sich gut ergänzt. Essens- und Übernachtungspreise sind moderat, die Bausubstanz besser erhalten als in Portugal; aber es ist eine fruchtbare Gegend: aus allen Mauerritzen an Gebäuden, Dächern, Treppenstufen usw wachsen Blumen!!!!!

Ein Highlight war der heutige Marktbesuch. In den Hallen sehr gepflegte reichhaltige Stände mit Fleisch, Fisch, Käse u.ä.
(Besonders ging mir als „Vegetarier“ das Herz auf).
Nach der Enttäuschung in Porto war es eine Augenweide. Draußen vor den Hallen befanden sich noch alte Bäuerinnen, die ihre eigenen Produkte anboten, teils in Schubkarren, es wirkte äußerst autentisch. Ansonsten darf mein Reinhard wieder mit mir in die Kirchen und neue Energie tanken, wobei die Kirchen sich doch stark wiederholen. Heute , am Donnerstag, füllt sich die Stadt mit vielen Pilgern (Wanderer u. Radfahrer), die morgen um 12.00h an der legendären Pilgermesse mit Weihrauchschwengel teilnehmen wollen. Ich hoffe, wir ergattern noch ein Plätzchen und können die gesamte Messe mit Weihrauch bis zum Ende verfolgen.
Zeit für  ein paar subjektive Eindrücke – mit und ohne Senf -!!!
1. Die IKEA-Kultur hat die Iberische Halbinsel voll erfaßt. Jeder auch nur etwas größere Ort weist seinen eigenen Markt am Stadtrand auf. Folglich sind auch die Ferienwohnungen IKEA-Vollausstattung, von der Lampe über Besteck bis hin zur gießfreien Blume. Alles wohlbekannt.
2. Die Pilgerkultur scheint sich seit dem Mittelalter nicht groß verändert zu haben: Wein, Weib, Tanz und Gesang sind nach wie vor hoch im Kurs; als wir nämlich bei der Anreise kurz vor Santiago waren, reihte sich ein Nachtclub an den nächsten, das waren wir aus dem katholischen Spanien/Portugal bisher nicht gewohnt. Naja, – wenn man nachher sowieso den Ablaß erhält, kann man vorher noch mal richtig …..
3. Die Öffnungszeiten für Kneipen und Geschäfte, sollte es sie überhaupt geben, erschließen sich uns Mitteleuropäern nur schwer. Daß es so gut wie keine Öffnungszeiten an den Türen gibt, hat seinen Grund. Die Aussagen wie „Die Küche hat schon geschossen“ oder „Der Chef entscheidet, wann wir schließen“ klingen sehr willkürlich. Am 2. oder 3. Tag entdeckt man plötzlich auf altbekannten Wegen völlig neue Geschäfte, die vorher noch nie ihre Rolläden geöffnet hatten. Also auf keinen Fall sollte man versuchen, ein bekanntes Geschäft oder eine Kneipe erneut aufzusuchen, denn es könnte sein, dass es schon geschlossen ist – oder noch gar nicht auf hat – oder heute überhaupt nicht öffnet! 🙁  Also lieber spontan entscheiden: sieht gut aus, geh ich rein!!! Der Rest könnte zu einer Enttäuschung führen.
Ach ja, und da war dann noch die Sache mit den Ohrstöpseln….. (Konnten wir uns doch noch an Riga erinnern, wo gegenüber des Hotels ein Heavymetal Club war, der bis 6.00h morgens laute Musik verbreitete, deshalb gab es Ohrenstöpsel). Aber doch hier nicht????  

Der Nachschub ist gesichert…aus dem Fenster winkt die BAS

Doch!!!   Genau unter unseren Fenstern erwachten gegen 23.00h mal 1, mal 4 Musikkneipen, wo die Gäste draußen bis 1.00h an Tischen und Stühlen plauderten, danach war Polizeistunde (d.h. Alles wurde weggeräumt) aber die Unterhaltungen und die Musik ging weiter bis  ca 3.00h. Naja, wer tagsüber viel unterwegs ist, der kann auch dabei schlafen, mit oder ohne Ohrstöpsel.
Das mit den launigen Öffnungszeiten hat sich bisher auf der ganzen Tour durchgezogen, ob Andalusien, Portugal oder jetzt hier. Ist wohl dem Südeuropäer in die Wiege gelegt. Und wir diskutieren über 2 oder 3 offene Sonntage im Jahr!? Mit etwas mehr Leichtigkeit im Gemüt regelt sich alles von selbst….
4. Zu unseren ausgeprägten Spanisch- und Portugiesischkenntnissen gesellt sich jetzt noch Galizisch hinzu. (Demnächst noch Baskisch). Da freuen wir uns besonders an der uns lieb gewordenen Tapasbar über unsere Translater-App im Handy. Wir sind schon ein eingespieltes Dreigestirn: Christel liest in der Karte, Reinhard tippt ein, Handy übersetzt. 🙂 Solange wir kein „Weißes Pferd“ bestellen..(siehe Sevilla) . Aber selbst das würde hier vermutlich schmecken – und das Preis-Leistungsverhältnis ist optimal. Man kann viele verschiedene Kleinigkeiten nacheinander essen bis man satt ist, was will das Herz mehr???
5. Erwähnenswert finde ich außerdem – und das bezieht sich auf Spanien genauso wie auf Portugal – mit welchem Patriotismus und Stolz die Einwohner ihr Land, ihre Kultur und ihre Eigentümlichkeiten vertreten und auch darbieten, ich denke da an Flamenco, Stierkampf, Fado oder Demonstrationen für den Erhalt der Galizischen Sprache. Uns fehlt da oft die notwendige Lockerheit.

 

17.05.2017 – Santiago di Compostela

Kurze Info:
Durch Anklicken der Bilder erscheinen diese in größerem Format, nach einer WordPress Umstellung habe ich den „Knopf“ gefunden…..
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Nach einem leckeren Frühstück und einer Maschine Wäsche (dunkel)
gings in die Stadt, erst mal schauen, wo wir denn sind. Denn nach dem gestrigen Tag mit den unendlich vielen Eindrücken wollten wir uns erstmal selbst finden.

Das erste Ziel war die Markthalle, und was war, geschlossen. Kann doch nicht sein, an einem normalen Werktag? Schon wieder eine Enttäuschung nach dem Markt in Porto? An einer Touri-Info wurden wir dann aufgeklärt, dass heute ein galizischer Feiertag sei. Und deshalb sei der Markt geschlossen. Aha, das erklärte auch später den sehr langen Demo-Zug für die „Erhaltug der galizischen Kultur und Sprache“ durch die Stadt.

Gut dass wir gestern nicht in diesem Rummel gelandet sind. Warum seht  ihr in den folgenden Bildern, die meine gestrigen Skrupel bezüglich der Anfahrt zu unserem Appartment visualieren sollen

Beginnend mit der Einfahrt in die Altstadt:
(Zur Info, meine BAS nimmt den Part der NT ein, natürlich viel symphatischer 🙂 )
Mal ehrlich, wäre jemand von euch auf die Idee gekommen hier hinein zu fahren?
Und weiter nach links und das bei ähnlichen Menschenmassen…

und weiter gings…durch diese schmale Gasse muss er fahren….... und am Ende fährt man auf den Vorplatz des Seiteneinganges der Kathedrale….Fragen über Fragen, ob das denn richtig sei…
Aber meine NT wies den Weg…
...über den Platz und dann nach rechts…siehe NT im Hintergrund 🙂
 …und am Ende dieser Gasse links, und dann standen wir vor unserem Appartment, geschafft…..👍👏😇
Und ich hab jetzt den 😇  für Gottvertrauen!!!

16.05.2017 -Fahrt nach Santiago di Compostela

Wir sind heute zeitig weg aus Porto und machten uns auf den Weg nach Santiago di Compostela.
Compostela dürfte wohl allen bekannt sein dank Hape Kerkeling´s Buch „Ich bin dann mal weg“, der allerdings einen großen Teil des Jakobus-Pilgerweges zu Fuß zurückgelegt hatte, wir fuhren halt mit dem Motorrad ( Er von Osten, wir von Süden).

Egal, wir sind zeitig los, bei sehr moderaten Temperaturen von 25`, ideal für einen Super-Motorrad-Tag. Und wir sind ganz tolle Strecken gefahren, eine herrliche Landschaft, wie man es sich als Motorradfahrer wünscht.
Man mag es nicht glauben, aber nachdem wir die Grenze Portugal-Spanien passiert hatten, änderte sich das gesamte Erscheinungsbild, sowohl was die Natur betraf als auch die Dörfer, durch die wir gefahren sind. Alles irgendwie aufgeräumter und nicht vor sich hinrottend.
Bis wir nach Compostela kamen gab es die üblichen Staus wegen der als „Speed Bumper“ ausgebauten Zebrastreifen und den zur Seuche werdenden Kreisverkehren. Egal wo man ist, es muss in jedem kleinen Ort mindestens einen Kreisverkehr geben, und das Verhalten der Autofahrer ähnelt denen in Sevilla.
Dazu mal wieder ein Zitat aus unserem Reiseführer:
„…regiert auf Spaniens Straßen oft noch Rücksichtslosigkeit…ob bei Überholmanövern und Kurvenschneiden, dem Nicht-anhalten bei Zebrastreifen, dem Anfahren bei Rot an der Ampel….unfallträchtig ist der Kreisverkehr. Hier kommt es oft vor, dass Fahrer aus der Innenkurve ohne Blinker in die nächste Ausfahrt ausscheren..“
Aber all das haben wir gut überstanden, habe meine Fahrweise ein bisschen angepasst (im Kreisverkehr). 🙂
Wir sind bis Compostela einer ausgewiesenen Route des „Jakobwegs“ gefolgt, unterwegs haben wir etliche Pilger gesehen, die dieser irgendwie faden Bundesstrasse gefogt sind. Ist als Wanderer nicht so wirklich schön, oder?
Unser Appartment lag wie immer in der Altstadt, und durch Kommunikation mit unser Vermieterin war mir bekannt, dass wir uns nur 15 min. mit dem Motorrad in der Altstadt bewegen durften, also Zeit zum Auspacken war, danach muss das Motorrad auf einen externen Parkplatz oder Parkhaus.

Compostela sieht in den Randbezirken aus wie eine normale Stadt, viel Verkehr, Stop-and-Go, bis mich die NT anwies, ich solle in eine Strasse, die nach meinem Gefühl in einer Fußgägerzone lag, mit „Durchfahrtverbotsschild“, vielen Leuten, und da soll rein???
Erstmal vorbei, und die NT kam sofort mit dem Hinweis „Bitte wenden..“, hab ich gemacht, unter Missachtung aller Regeln, passiert.
Und dann sind wir mitten durch eine für uns gefühlte „Fußgängerzone“, es war sehr komisch, aber es gab keine dummen Kommentare von den Fußgängern. Die NT führte uns weiter fast an der Kathedrale vorbei, (kann doch nicht sein, dass man hier mit einem KFZ entlang darf..), und kurz danach waren wir dann an der Zieladresse, irgendwie geschafft.
Schnell die Wohnung bezogen, ein tolles Appartment, mit alllem was man braucht, sagt die BAS.
Und ich dann zum Parkhaus, welches ca. 800m entfernt lag. Wieder durch die kleinen Fußgänger-Gässchen, aber nicht mehr diese Skrupel wie bei der Anfahrt. Neben mir waren auch andere KFZ unterwegs, also alles gut.
Und in der Nähe unseres Wohnortes gibt es einen Supermarkt, und nach kurzer Erholung alles eingekauft, was man für ein gutes Frühstück braucht.

Unser erster Weg führte uns auf den Platz vor der Kathedrale, musste sein, ich hatte schon viele Bilder dieser Kathedrale gesehen, und ich wollte das einmal in „Natura“ sehen. (So ähnlich wie den Radjistan in „Samarkand“, Usbekistan). Die Kathedrale steht über der Grabesstätte, die dem Apostel Jaobus zugeschrieben wird, und ist das Ziel aller Pilgerfahrten.
Aber welche Enttäuschung, alles eingerüstet, ein blödes Bild. Und ich stelle mir all diese „Zu-Fuss-Pilger“ vor, da läufst du wie ein Doofer, nur um dieses Ziel zu erreichen, und dann dieser Anblick, muss schlimm sein.

Durch einen Seiteneingang kamen wir in die Kathedrale, und ab da war ich wie geflasht…
Die Kathedrale als Bauwerk, schlicht romanisch, der Altar im feinsten Barock, es wirkte nicht protzig, (eine Bauweise, die mir besser gefiel als die Prunkbauten auf dem Tripp bisher) bezogen auf den Punkt zu Gott, hier dargestellt als der Apostel Jakobus, dem die Kirche gewidmet ist.

Der „Batufomeiro“ in Aktion

Ein Anblick, der mich echt erschauern liess, ich kann und will es auch nicht beschreiben..
Und entgegen aller vorherigen Infos im Internet wurde zum Schluss der Messe der „Botafumeiro“ geschwungen. Dies ist ein Weihrauchkessel, ca. 1,60m hoch und 54kg schwer,  wird von 7 Leuten bedient und die bringen den Kessel  zum Schwingen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 70km/h.  Da musste ich doch schwer durchatmen, dass mein Wunsch, dieses life zu sehen, sich so plötzlich erfüllte…